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Kaltes klares Wasser (Re: Fahrradstadt 2024)

Mit dem zivilgesellschaftlichen Engagement ist es immer wieder so eine Sache. Auch und gerade wenn es um den Radverkehr in einer Stadt wie Rösrath geht.

Was wir hier machen ist so dringend notwendig wie kräftezehrend und oft genug doch ziemlich frustrierend. Wir investieren unsere Kreativität und Zeit, zuweilen sogar Geld, und am Ende hört man immer nur, warum das alles so nicht geht. (Obwohl es andernorts ja sehr wohl geht.)

Und dann bewegt sich ganz unvermittelt doch etwas, und wenn das Glas dann auch noch immer nicht halb voll ist, so bleibt immerhin ein kühler Schluck Fortschritt über.

In diesem Rhythmus ist eigentlich das gesamte Jahr 2024 aus unserer Sicht verlaufen. Die ganze Zeit haben wir uns den Kopf zerbrochen, Hunderte Mails geschrieben, organisiert und demonstriert und was es sonst noch alles braucht.

Und am Ende eigentlich nichts Zählbares auf den Straßen.

Plötzlich kommt dann kurz vor Weihnachten doch die schmerzlich vermisste Abstellanlage am schulischen Fahrradwald noch um die Ecke gebogen. Also hat sich die Mühe ja dann doch irgendwie gelohnt, selbst wenn es nur in den allerkleinsten Schritten vorangeht. Immerhin, der Stillstand ist aufgebrochen.

Tu was, dann tut sich was, und das macht Spaß!

Das Motto dieses Jahres – und sicher auch des nächsten – kommt also nicht von ungefähr von den neuen Ehrenbürgerinnen der Stadt Rösrath:

Was das eigene Tun am Ende konkret ausmacht, ist regelmäßig sehr schwer zu beziffern. Aufwand und Ertrag stehen da oft nicht unbedingt in einem gesunden Verhältnis zueinander.

Das gilt nicht zuletzt für unsere bunte Fahrraddemo Kidical Mass, die nach drei Jahren und sieben Ausgaben mit rund 2.000 Teilnehmer:innen allen Alters kaum konkrete Erfolge aufweisen kann. Die Elterntaxis fluten auch weiterhin die Schulen, auf den Hauptstraßen wird gebrettert, dass einem teilweise Hören und Sehen vergeht, und bis eben mussten die Schüler am FvS ihre Räder noch immer im Wald anschließen.

Gleiches gilt für unser Ansinnen eines runden Tischs, also eines regelmäßigen Austauschs mit Verwaltung und Politik der Stadt Rösrath. Auch da kamen wir mit ziemlich leeren Händen aus dem Rathaus. Und das obwohl ein ähnliches Format in einer anderen Stadt (Wermelskirchen) durchaus erfolgreich durchgeführt werden konnte.

Immerhin: Seit diesem Gespräch haben wir einen öffentlichen Raum für unsere Treffen zur Verfügung. Auch das ein kleiner, aber sehr wertvoller Schritt in die richtige Richtung.

Die bunte Fahrraddemo für ganz Rösrath

Wir für unseren Teil haben unsere Hausaufgaben wohl gemacht; in aller Bescheidenheit.

Auch im vierten Jahr macht sich eine Kidical Mass Rösrath nicht von allein; auch mit künstlicher Intelligenz nicht. Es braucht schon eine ganze Menge echter Fleißarbeit dafür.

Im Mai feierte die Kidical Mass Premiere in Kleineichen und alle Kinder haben die bisher längste Strecke (6 km bis nach Hoffnungsthal) mit Bravour gemeistert.

Im September dann haben viele Rösrather:innen erstmals überhaupt den Weg nach Rambrücken gefunden. Damit konnten wir zeigen, dass Rösrath sehr wohl eine Stadt der kurzen Wege ist und das Potenzial zur Fahrradstadt hat.

Die vielen strahlenden Gesichter bei diesen Fahrten sprechen ohnehin eine sehr klare Sprache. Und wer würde so viele Kinder aufs Fahrrad bringen? Wer würde sich für ihre Belange und ihren Schutz im Straßenverkehr einsetzen, wenn wir es nicht täten?!

In diesem Zuge kam auch in diesem Jahr ein erstes Gespräch mit dem Seniorenbeirat der Stadt Rösrath zustande. Thema hier: die Verbesserung der Situation für Fußgänger- und Radfahrer und alle schwächeren Verkehrsteilnehmer im Allgemeinen. Mehr Miteinander im Verkehr und zwischen den verschiedenen Generationen.

Das sind dann doch alles Schritte in die richtige Richtung, auch wenn sich die Situation auf den Hauptverkehrsachsen eher verschlechtert als verbessert hat.

Viel Lärm ohne Aktion

Ein “Highlight” des lokalpolitischen Jahres 2024 war ohne Zweifel auch die Debatte um den gesetzlich vorgeschriebenen Lärmaktionsplan. Die Verwaltung hatte in diesem Zuge vorgeschlagen, den Autoverkehr auf den Rösrather Hauptstraßen weitestgehend auf Tempo 30 zu reduzieren.

Die Diskussion wurde erwartungsgemäß sehr hitzig und kulturell aufgeladen geführt, schlussendlich wurde einmal mehr eine Nullnummer (O-Ton) beschlossen. Alles soll bitte so laufen wie bisher, Veränderungen sind nicht nur in Rösrath eine unheimliche Angelegenheit.

Dabei soll man nicht den Fehler wiederholen, die Einführung von Tempo 30 in diesem Fall als verkehrspolitische Maßnahme misszuverstehen. Im Rahmen des Lärmaktionsplan wäre die Reduzierung des Tempos “nur” eine Maßnahme gewesen, um die gesundheitsschädlichen Lärmpegel entlang der Hauptstraßen wirksam und kostengünstig zu senken.

Natürlich wäre die Entschleunigung auch aus Sicherheitsaspekten in der zunehmend verdichteten Stadt eine wahrscheinlich überfällige Entscheidung, doch in Rösrath hat eben auch bereits der Wahlkampf 2025 begonnen. Da möchte die Politik den automobilen Wählern lieber nicht auf die Schlappen treten.

Dabei mehren sich die Anzeichen dafür, dass der Autoverkehr immer öfter an seine Grenzen stößt. In Menzlingen musste die Stadt die Straße für den Durchgangsverkehr sperren und am Bücheler Weg scheiterte eine Initiative von Anwohner:innen für Tempo 30. Obwohl dort ohnehin nur Anliegerverkehr zugelassen und die Straße eng und kurvig ist, wird allem Anschein nach doch regelmäßig zu schnell gefahren.

Große Teile der Rösrather Politik scheinen jedoch die Augen vor dieser Realität verschließen zu wollen und sprechen lieber von einem Krieg gegen das Auto; geführt von sogenannten Öko-Extremisten (auch ein O-Ton aus 2024).

Autowende statt Verkehrswende

In ganz Deutschland bleibt das Glas in Sachen Verkehrswende also eher leer als halbvoll. In Berlin werden bereits fertig geplante Radverkehrsprojekte gestrichen und der bayerische Chefpopulist Markus Söder forderte zuletzt gar eine “Autowende”.

In Rösrath selbst hat sich dieser Tage ein Haushaltsloch von über 10 Mio. Euro aufgetan. Schwer vorstellbar, wie da in Zukunft noch irgendwelches Geld für eine verbesserte Fahrradinfrastruktur drin sein soll.

Die goldenen Jahre haben wir hierzulande jedenfalls verpasst, dabei wäre es durchaus möglich gewesen, wie man z. B. in Paris oder London gut sehen kann. Und selbst die Fahrradwege in Belgien lassen unsereins vor Neid erblassen. Allein die Ausschilderung ist schon um so Vieles besser.

Mit dem Fahrrad für das Fahrrad

Uns als ehrenamtlich organisierter und selbst finanzierter Initiative bleiben in diesem Spiel ohnehin nur sehr bescheidene Möglichkeiten.

Natürlich werden wir weiter den Kontakt zu Politik und Verwaltung der Stadt Rösrath suchen, um auf die vielfältigen Vorzüge des Fahrrads in einer Stadt der kurzen Wege hinzuweisen. Wir bieten unsere Expertise ebenso an wie unsere Freizeit, um Mobilitätsthemen gesamtheitlich, pragmatisch und integrativ für ganz Rösrath zu diskutieren.

Darüber hinaus werden wir ganz einfach weiter Fahrrad fahren. Und mit dem Fahrrad als Kommunikationsmittel für das Fahrrad als Transportmittel werben.

Ganz einfach weil es viel gute Laune macht. Und die ist im Rösrath der Gegenwart ebenso wichtig wie im Rösrath der Zukunft.

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