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Rösrath, aber mit Konzept

Anfang des Monats legte die Rösrather Wählergemeinschaft Zusammen Leben Rösrath (ZLR) ihr “Impulspapier Öffentlicher Raum und Mobilität” vor:

Dies allein ist schon ein bemerkenswerter Vorgang, denn die Rösrather Politik ist in der Vergangenheit nicht unbedingt durch ihre konzeptionelle Arbeit aufgefallen. Vielmehr wird man den Eindruck nicht los, dass die Stadt sich irgendwie selbst entwickelt und vergrößert und der Rest wird dann jeweils nach Dringlichkeit entschieden.

Rösrath läuft der Musik immer ein bisschen hinterher

Dass mag nicht zuletzt daran liegen, dass wir eben traditionell als Schlafstadt für Köln fungieren. Sehr grob gesprochen ist Rösrath eine ausgedehnte Siedlung, die von zwei großen Straßen durchschnitten wird.

Die Leute wollen nach getaner Arbeit schnell nach Hause und dort schlicht “ihre Ruhe” haben. Relevant sind Haus und Garten, um alles andere hat sich “die Stadt” zu kümmern.

Das ist auch durchaus nachvollziehbar, erklärt aber zum Teil, warum es in Rösrath bisher eben keine ausgeprägten Konzepte oder gar ein Leitbild zur Entwicklung der Stadt gegeben hat. Das städtische Leben vor Ort ist vielen Rösrather:innen ganz einfach nicht so wichtig.

Rösrath aber wächst weiter, sei es am Bahnhof, am früheren Haus Hack, auf der Altvolberger Wiese und an weiteren Orten. Seit Corona gibt es zudem deutlich mehr Jobs im Homeoffice und diese neue Generation verbringt vielleicht mehr Zeit in der Stadt und ist mit anderen Erwartungen hergezogen.

Kita- und Schulplätze sind ebenso Mangelware wie öffentliche und Spielplätze und die Verkehrsinfrastruktur ist weitestgehend auf dem Stand von 1975, als Rösrath gerade die Hälfte der aktuellen Bewohner zählte.

Die Kommune steht also vor mannigfaltigen Herausforderungen, die sich nicht zuletzt im verschärften Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte ausdrücken. Grund genug also, ein gutes Stück weiter zu schauen als nur bis zum nächsten Haushalt.

Was ist Rösrath eigentlich, oder was will es sein?

Diese Frage wird im vorliegenden Paper zwar nicht explizit gestellt, im Prinzip läuft aber auch die Arbeit von ZLR darauf hinaus.

Im Zentrum der 75 Seiten starken Untersuchung steht die Frage nach der Lebens- und Aufenthaltsqualität in Rösrath (und vergleichbaren Städten) sowie insbesondere die Nutzung und mögliche Gestaltung des öffentlichen Raums.

Logischerweise nimmt in diesem Zusammenhang auch die Frage nach der angemessenen Mobilität für die weiter wachsende Stadt eine Hauptrolle ein. Damit schließt das Papier von ZLR fast nahtlos an unsere Position an:

Rösrath, die 15-Minuten-Stadt im unteren Sülztal

Rösrath kann schon jetzt sehr gut als Stadt der kurzen Wege verstanden werden. Downtown Rösrath, Forsbach und Hoffnungsthal sind von fast allen Ortsteilen sehr gut mit dem Fahrrad oder Pedelec, oft sogar zu Fuß zu erreichen. Damit ist Rösrath schon heute weiter als Paris, wo man die Idee der “15-Minute City” erst seit ein paar Jahren konsequent verfolgt. Es besteht in Rösrath (im Normalfall) schlicht keine Notwendigkeit für die Massen an Automobilität.

Diese – nicht nur in Rösrath – über Jahrzehnte gewachsene Automobilität ist ein gutes Stück aus dem Ruder gelaufen und schränkt mittlerweile mehr Freiheiten ein als sie verleiht. Die Aufenthaltsqualität in allen drei Zentren der Stadt ist bestenfalls mäßig. Im Urlaub würde sich kein Rösrather einen solchen Ort wünschen.

Kein Autohass, aber die notwendige Korrektur der heutigen Verhältnisse

Bereits in der Eröffnung machen die Verfasser von ZLR deutlich, dass sie nicht vorhaben, das Auto oder den motorisierten Individualverkehr (MIV) abzuschaffen. Beziehungsweise sind sie dazu gezwungen, denn jede Infragestellung des Status Quo wird schnell als ideologisch geprägter Autohass abgestempelt.

Die Autoren schauen daher auch über den Tellerrand hinaus und nehmen Bezug auf die Entwicklungen in Metropolen rund um den Globus. Vielerorts hat man erkannt, dass das Automobil “über seine Verhältnisse” lebt, nicht zuletzt. weil es zu großen Teilen sehr ineffizient eingesetzt wird.

Die Strecken (50 % der Fahrten sind unter 5 km, 25 % gar unter 2 km) sind zu kurz, die durchschnittliche Belegung ist mit 1,2 zu gering und 23 Stunden am Tag steht das “Fahrzeug” im Schnitt still; oft genug im knapp bemessenen öffentlichen Raum.

Denkanstöße und Lösungsansätze

Die vorliegende Abhandlung ist wohl bewusst als Impulspapier formuliert und möchte in erster Linie dazu anregen, Rösrath als echte Stadt und nicht nur als Kölner Vorstadt zu verstehen.

Möchte man die Lebensqualität im Zentrum der Stadt erhöhen, so wird man auf Dauer nicht umhinkommen, den Autoverkehr zu reduzieren und gleichermaßen zu entschleunigen.

Zentral im Konzept von ZLR ist vor diesem Hintergrund die Einführung von Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit sowie eine deutliche Verbesserung der Infrastruktur für die Nahmobilität auf zwei Rädern und Füßen.

Die Lösungsansätze decken sich wie gesagt in vielen Punkten mit den auf dieser Website aufgeführten Gedanken. Sie hier detailliert aufzuschlüsseln, würde den Rahmen deutlich sprengen.

ZLR hat aber bereits angekündigt, das Impulspapier im Laufe der nächsten Monate in kürzeren Einzelbeiträgen vorzustellen. Auch eine öffentliche Veranstaltung zur Diskussionsvorlage ist geplant.

https://ksta.de/region/rhein-berg/roesrath/roesrath-waehlergemeinschaft-stellt-mobilitaetskonzept-vor-565292

Inwieweit das Konzept bei der Rösrather Politik, Verwaltung und auch Bevölkerung Gehör findet, muss sich noch zeigen. Nicht wenige Menschen sind mit den Jahren so abhängig vom Automobil geworden, dass sie jede davon abweichende Idee bereits als Angriff auf ihre Person verstehen.

Andererseits gibt es auch in Rösrath viele junge Familien, die mit moderneren Verkehrskonzepten in Berührung gekommen sind und sich diese auch vor ihrer Haustür wünschen.

Die Frage nach der “richtigen” Mobilität ist im Laufe der letzten Jahre zu einem der kontroversesten Themen überhaupt geworden. Die unterschiedlichen und teils sehr vehement vertretenen Perspektiven in Einklang zu bringen und auf diesem Wege das Rösrath der nächsten 20 bis 30 Jahre zu gestalten, ist die Aufgabe aller beteiligten Parteien.

ZLR hat aber nun einen ersten Impuls geliefert und das allein verdient bereits Anerkennung.

Wollen wir in Rösrath leben – oder nur gut durchfahren können?

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